Mit neuen Impulsen in’s Jahr 2025

Im 20. Jahr des Bestehens startet Education Y durch die Impulse der neuen Geschäftsführerin Huberta von Voss-Wittig in eine wirkungsvolle Zukunft. Im Interview erzählt sie, welche Themen ihr am Herzen liegen und welche Strategie sie für die Entwicklung der Organisation verfolgt.

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Warum hast Du Dich dafür entschieden, Dich bei/mit Education Y für Bildungsgerechtigkeit und zeitgemäße Bildung zu engagieren? 

Für mich ist die Leitung von Education Y eine Chance an meine beruflichen Anfänge als Sprecherin von Rita Süssmuth anzuknüpfen, die unseren Verein seit vielen Jahren als Vorsitzende unterstützt. Von ihr habe ich gelernt, dass man den Einsatz für faire Chancen, soziale Gerechtigkeit und Zukunftsgestaltung zusammendenken kann und muss. Und genau das tut unser Verein seit nunmehr 20 Jahren mit dem Einsatz gegen herkunftsbedingte Benachteiligungen und die Begleitung von Schulen zu einer gelebten Kultur der Digitalität und Partizipation. Gleichzeitig überzeugt mich unser wirkungsorientierter Ansatz. Wir sind keine laute oder laue Organisation, sondern ein ernsthaftes und zugleich hoffnungsstarkes Team. Das ist eine gute Kombination – bei uns gibt es keine programmatischen Schnellschüsse. Wir ringen um das beste Ergebnis. Wir fragen uns immer, ob es noch besser geht. Genau das war auch der Ansatz von Rita Süssmuth. Ist das anstrengend: Ja! Gut so. Was wir tun, hat Hand und Fuß und Herz.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen im Bildungsbereich? 

Wo soll man anfangen? Es gibt so viele Herausforderungen, die sich oft gegenseitig bedingen und verstärken. Familien- und Bildungspolitik wurde auf der politischen Bühne lange abfällig als “Gedöns” abgetan. Das hat sich zwar ein bisschen zum positiven geändert, aber allein in der finanziellen, räumlichen und personellen Ausstattung von Bildungseinrichtungen spiegelt sich eine Missachtung von den Menschen, die dort arbeiten und den Kindern, die dort einen Großteil ihres Tages verbringen. Dabei hängt nicht nur unsere Zukunftsfähigkeit davon ab, dass gute Bildung eine zuverlässige Erfahrungsgröße ist, sondern auch die Zustimmung zu unserer offenen Gesellschaft. In Bildungseinrichtungen erleben Eltern, Kinder und Jugendliche, ob sie wichtig sind für unser Land. Bildungschancen sind ein Demokratieversprechen. Ein sehr großes. Das wird leider oft vergessen. Wir lassen die pädagogischen Fachkräfte mit den enormen Herausforderungen, ihren Auftrag zugewandt und zukunftsorientiert zu erfüllen, viel zu sehr allein: Die Langzeitfolgen der Pandemie, superdiverse Klassenräume, Künstliche Intelligenz und Soziale Medien, Jugendradikalisierung, Mentale Gesundheit, Klimawandel und Kriege, unterfinanzierte Kommunen, überforderte – oder gar abwesende – Eltern, bürokratische Bugwellen sind nur ein paar der Stressoren, die auf das System Schule einwirken. Es braucht ein klares Bekenntnis von allen Beteiligten, bessere Bildung gemeinsam zu organisieren und zu priorisieren.

Was sind wirkungsvolle Hebel und Maßnahmen, um die Situation (in herausgeforderten Lagen) zu verbessern? 

Schulen müssen viel stärker zu Bildungs-Hubs für die Familie werden. Ohne eine konstante elterliche Begleitung der Bildungsreise funktioniert es nicht. Hier setzen viele unserer Programme an. Zugleich müssen wir Schule als einen Ort denken, an denen Kinder und Jugendliche Gestaltungskraft erlernen und erleben. “Dies ist dein Ort – mach was draus!”. Das muss unsere Devise sein. Aber das verlangt auch, dass Schulleitungen, Lehrkräfte und pädagogisches Fachpersonal lernen, Macht abzugeben und Partizipation als Coach zu begleiten. Und wir müssen ein gutes Maß finden zwischen datengestützter Schulentwicklung und der Haltung, dass der Mensch – immer – mehr ist als die Summe seiner messbaren Leistungen. Ich wünsche mir deswegen Schulen, die nicht nur Zukunftskompetenzen vermitteln und an den rasanten technologischen Wandel angepasst sind, sondern auch Kinder dazu ermutigen, mit Mut, Ausdauer und Freude ihr Potential zu entdecken und zu entwickeln! Wichtig ist mir auch, dass Schulen den Wert unserer Demokratie vermitteln und die Schüler*innen zeigen, wie Sicherheit und Eigenverantwortung im digitalen Zeitalter verbunden werden können.

Warum sind Social Profit Organisationen wie EdY im Bildungsbereich wichtig?  

Ich glaube, dass Sozialunternehmen und auch Social Impact Startups viel besser in der Lage sind, innovativ und bedarfsorientiert nahe an den Menschen zu arbeiten. Unsere Teams sind multiprofessionell. Das erlaubt es uns, nachhaltige und zukunftsorientierte Lösungen zu pilotieren und nach erfolgreicher Wirkungsmessung zu skalieren, sofern uns die Finanzierung gelingt. Unsere Stärke ist auch unsere Schwäche. Es gibt viele wertvolle Programme, die trotz ihrer Erfolge auslaufen, nur weil Förderer nun mal etwas Neues wollen. Deshalb arbeiten wir seit langem systemisch, d.h. wir arbeiten immer mit den Menschen im System an ihrem System, damit die positiven Veränderungen im jeweiligen System dauerhaft verankert werden.

Was zeichnet unseren Sektor aus?  

Ich würde sagen, eine ziemlich einmalige Mischung von Innovationsfreude, nachhaltigem Denken und ethischer Grundierung. Wir alle sind bereit, unter wirtschaftlich zum Teil prekären Bedingungen zu arbeiten, weil Förderungen klassischerweise geringe Laufzeiten haben. Man kann mit gutem Gewissen sagen, dass unsere Kolleg*innen “all in” sind. Diese innere Haltung ist etwas sehr Wertvolles.

Was können sie bewirken, was anderen Akteuren schwerfällt? 

Wir können z.B. Vertrauen aufbauen und den Dialog zwischen allen beteiligten Akteuren herstellen. Ohne Vertrauen und Ermutigung funktioniert Transformation nicht. Und ohne Selbstvertrauen werden Lernerfolge gemindert oder bleiben sogar ganz aus. Wirklich zu verstehen, was jede Gruppe bzw. jedes Gruppenmitglied braucht, um die jeweiligen Verantwortlichkeiten optimal auszufüllen, bedingt die Fähigkeit, mit Wertschätzung zuzuhören und kooperative Lösungen zu entwickeln. Wir schweben also nicht mit dem Fallschirm herab und sagen allen, wie sie ihren Job zu tun oder ihr Leben zu leben haben. Um Selbstwirksamkeit zu ermöglichen, müssen wir ohne persönliche Eitelkeit handeln. Für uns alle stehen die Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt. Wenn wir erleben, dass sie in ihre Kraft finden, dann ist uns das ein Fest. Genauso freuen wir uns, wenn Lehrer*innen wieder mit Freude und Zuversicht eine wichtige Arbeit angehen. Oft erleben wir zu Anfang unserer Beratungsprozesse das Gegenteil.

Was sind Deine Ziele und Wünsche für die kommenden Jahre?

Ich sehe mit großer Freude, dass sich unter dem Dach von Education Y in den vergangenen 20 Jahren ein unglaublicher Erfahrungsschatz aufgebaut hat. Wir funktionieren von Anbeginn an nach den Mechanismen von collective impact und wir sind nie stehengeblieben. Das will ich noch stärker machen! Zugleich gibt es nur wenige Organisationen, die entlang der gesamten Bildungsreise und für alle wesentlichen Stakeholder innovative und nachhaltige Programme entwickeln und Wirkungsorientierung so ernst nehmen. Mit dieser Superpower wollen wir gemeinsam mit unseren vielen fantastischen Partnerorganisationen und -verbänden durchstarten und unser Gewicht künftig auch stärker in die Politik einbringen. Wir müssen lauter werden. Weil es nur mit uns gemeinsam geht. Zugleich werden wir sicherlich unsere Geschäftsfelder ausweiten und uns stärker um den Schutz der Demokratie im digitalen Zeitalter bemühen und dabei helfen, dass unsere Elternprogramme und Angebote zur frühkindlichen Förderung genauso stark werden wie unsere Transformationsbegleitung von Schulen. Es gibt also viel zu tun und mit unserem kaufmännischen Geschäftsführer Dr. Michael Baer habe ich einen exzellenten Partner an meiner Seite, um Education Y fit für die nächsten erfolgreichen Jahre zu machen.